Milieu

Wände realisieren ein Innen und ein Außen, ein Davor und Dahinter. Sie trennen den einen vom anderen Bereich und versperren die Sicht. Mehrere Wände definieren einen Raum, der aus der Innenperspektive absolut erscheinen mag. Neutrale Wände und glatte Oberflächen werden nahezu unsichtbar (obgleich sie immer noch da sind). Im Erkennen der Wand als Begrenzung wird das, was jenseits der Wand liegt zum Geheimnis. Die Wand ist dann Anstoß ein mögliches „Dahinter“ zu imaginieren. Durchlässige und bewegliche Wände verweigern sich, in der Dualität von innen/außen aufzugehen. Faltungen der Oberfläche machen die Wand als solche sichtbar und öffnen sich hin zu einer räumlichen Tiefe. Eine kleine Lücke gewährt eine Ahnung dessen, was dort sein könnte ohne dieses begreifen zu können. Was geschieht, wenn die Wände (zeichnerisch) markiert, ihre Oberfläche also bearbeitet wird?
Als Metapher sind Wände auch Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit weniger physischen, vielmehr sozial konstruierten Räumen, Übergängen und Zonen. Je normativer die Räume, desto weniger sind ihre Wände als solche erkennbar. Wie selbstverständlich bestimmen und begrenzen sie das Handeln. Glatte Oberflächen zu bearbeiten bedeutet, sie sichtbarer zu machen. Wände können bewegt, perforieren, gegriffen und befragt werden: Was geht über sie hinaus und durch sie hindurch? Das Milieu verstehen wir (team2 = Irène Mélix & Theresa Schnell) als „produktiven Zwischenraum“. Seine durchlässige Wände ermöglichen es, über die bestehenden Verhältnisse hinaus zu denken und diese zu verändern. Das Milieu ist ein sozialer Raum, der es im gemeinsamen Tun zulässt, sich Gesten anzueignen oder zu erfinden. Die rauchenden Frauen auf den Werbetafeln der Privatsammlung Gerhard Pretzel halten sich in einem jeder Räume auf. Wie prekär ein solcher Raum ist, zeigt sich ebenso im Bild. Die möglicherweise emanzipatorische Geste der Aneignung eines (männlichen) Statussymbols, wird mit den Werbetafeln kanonisiert. Sie wird sichtbar, indem sie einem ökonomischen Interesse untergeordnet wird. Auflösen lässt sich dieser Widerspruch nicht. Nicht einmal in dem Bild „unserer“ Raucherin. Sie blickt kess (und ein wenig verstohlen) über ihre Schulter und mich direkt an. Habe ich sie bei etwas ertappt oder ruft sie mich dazu?