Indigo

Im Durchfärben zeigt sich das Verhältnis des Einen zum Anderen. Das gelöste Pigment durchdringt den textilen Körper, dessen Gewebe wiederum das Pigment auffängt und hält. Das Textil nimmt das Indigoblau gänzlich an, ohne dabei die eigene Materialität aufzugeben. Blaue Körper sind Modelle, um die Qualitäten des Textils und der Farbe neben- und ineinander sichtbar zu machen. Das Blaufärben mit Reserven (bleu à la résèrve) macht es möglich, die Zeichnung im Stoff zu platzieren und durch das Färben als „Reserve“, als Aussparung sichtbar zu machen. Etwas bleibt weiß im umgebenden Blau stehen. Der nun indigoblaue Stoff wird zum Umraum. Die Farbe (Indigoblau) selbst bewegt sich im Grenzgebiet von Versprechen und Verlust, von Sehnsucht und darüber hinaus. Es schiebt sich in den Blick und ins Bewusstsein. Die Geschichten des Blaudrucks vollziehen sich auch in territorialen Grenzgebieten. Die qualitativen Veränderungen im Farbton erzählen von ökonomischen und kolonialen Kämpfen. Gebrochen blau mit einem Hauch grau – so färbt das Färberwaid. Seit dem Mittelalter fand diese Pflanze Verwendung, wenn in Europa blaugefärbt wurde. Mit der beginnenden Kolonialisierung wurde das deutlich ergiebigere, noch tiefer blaue, leicht violett schimmernde Pigment der indigo ferra Pflanze auch in Europa bekannt. In der kolonialen Aneignung des Färbestoffes zeigt sich beispielhaft, wie Ausbeutung und globaler Handel Fahrt aufnahmen. In Mitteleuropa ersetzte indigo ferra zunehmend das Färberwaid. Dessen Anbau, Aufbereitung und Verkauf – bis dahin ein stark reglementierter Wirtschaftszweig, welcher das Auskommen ganzer Städte sicherte – wurde überflüssig. Die Winkenden sind Gestalten, die den diffuser werdenden Grenzraum markieren. Der erhobene, von der einen zur anderen Seite bewegte Arm ist als Zeichen, als symbolisch belegter Körper, erkennbar. Das Winken ist eine Geste und damit „eine Bewegung des Körpers (…) für die es keine zufriedenstellende, kausale Erklärung gibt“ (Vilém Flusser: Gesten. Versuch einer Phänomenologie) Als Zeichen identifizierbar, bleibt die Bedeutung des Winkens zugleich vom Kontext abhängig und für sich allein uneindeutig.